“Jetzt wird er kastriert, dann wird er auch ruhiger.”

Ein Satz den ich immer wieder höre und der so falsch ist. Aber lassen sie uns das ganze von vorne beginnen.

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Die Entwicklungsstufen des Hundes

Der Hund, wie andere Säugetiere auch, macht verschiedene Entwicklungsstufen durch. Jeder hat seine ganz bestimmten Eigenarten. Sie sind nicht nur Rasse abhängig sondern auch Individuum abhängig. Gesteuert werden diese Stufen durch Hormone.

Ich halte mich in dieser Beschreibung nicht an die offiziellen Entwicklungsstufen eines Hundes die noch etwas feiner gegliedert sind, sondern an die Entwicklung wie wir sie mit unserem Hund erleben. Diese halte ich für den normalen Hundebesitzer für verständlicher.

Das Welpen alter

Ab geburt

Wenn der Welpe bei uns einzieht hat er in der Regel ein Alter von mindestens 8 Wochen besser 12 Wochen. Bis zu diesem Alter hat er schon viel hinter sich. Er ist geboren worden, hat sich für Milch und Wärme der Mutter gegenüber seinen Geschwistern durchsetzen müssen, hat die Augen und Ohren geöffnet und die Milchzähne bekommen. Er hat gelernt zu spielen, zu toben und zu ‘kämpfen’ sowohl mit seinen Geschwistern als auch mit anderen großen und kleinen Hunden. Menschen waren auch schon da und haben mit ihm gespielt und ihn gestreichelt. Die Sozialisierungsphase ist in vollem Gange, lernen tut er momentan sehr viel und allem Neuen ist er, vielleicht manchmal etwas vorsichtig und zurückhaltend, aufgeschlossen.

Der Welpe ist jetzt mindestens 8 Wochen alt und der Züchter hat schon viel getan. Der Hund wird jetzt von dem Züchter abgegeben und zieht in unserem Heim ein. Mit all dem was bisher geschehen ist haben wir nichts zu tun.

Die Mutterhündin hat bis hierher auch ihren Teil zu einem guten gesunden Hund beigetragen und für uns das wichtigst: Das Hund ist von der Mutter entwöhnt. Er frisst jetzt feste Nahrung.

Das Junghund alter

Ab 8. Woche

Der Hund ist nun bei uns. Die Sozialisierungsphase geht weiter. Die Erziehung geht jetzt im neuen zu Hause weiter oder beginnt. Kleine einfache Dinge die immer belohnt werden. So macht es dem Hund Spaß. Der Hund wird Grenzen austesten, Möbel und Schuhe annagen und hoffentlich schnell Stubenrein werden. Mit ca. 6 Monaten geht das mit den Zähnen schon wieder los. Er verliert sein Milchgebiss.

Jetzt fängt es an etwas stressiger zu werden. Der Hund kommt in die adoleszente Phase. Je nach Rasse mit sechs bis zwölf Monaten. Diese beginnt mit der Geschlechtsreife und geht mit ungefähr zwei Jahren in die Reifezeit über.

Die Geschlechtsreife

Die Geschlechtsreife kann sich je nach Rasse und Hundetyp bis zum zweiten Lebensjahr hinziehen. Es sind, wie beim Menschen auch, die Flegeljahre.

Die Geschlechtshormone, beim Rüden die Androgene und bei der Hündin die Östrogene, werden jetzt aktiv und krempeln den gesamten Hund auf links. Das verhalten kann/wird sich ändern. Bei dem einen Hund mehr bei dem anderen weniger. Da die Hunde sich physisch aber auch psychisch ändern und sie oftmals ein Verhalten zeigen das nicht immer in unsere ‘Heile Welt’ hinnein passt, ist diese Zeit für uns Menschen oft etwas schwierig. – Aber sie geht vorbei.

Jetzt ist es sehr wichtig das wir zwei Dinge tun, auch wenn es uns manchmal schwer fällt.

  1. Wir müssen viel mit dem Hund arbeiten. Auch wenn wir manchmal denken das der Hund nichts mehr lernen kann, das er alles was sie gestern geübt haben schon wieder vergessen hat, das er alles machen möchte nur nicht mitarbeiten, das eigentlich alles schief läuft.
  2. Geduld und Konsequenz. Auch wenn es manchmal schwer fällt. Den Hund jetzt für sein Verhalten zu strafen wäre der falsche Weg. Es ist nötig in dieser Zeit ein wenig Fingerspitzengefühl zu entwickeln. Der Hund hat ja bisher schon ein Vertrauensverhältnis zu dir aufgebaut. Das ist eine gute Basis und kann jetzt erweitert werden.

Auch Hundekontakte sind in dieser Phase sehr wichtig. Diese sollten aber möglichst ruhig und kontrolliert ablaufen und nicht in Machtkämpfen ausarten. Konfliktkontakte sind zu vermeiden. Wenn dein Hund mal in seine Schranken gewiesen wird ist das ok, aber keine Rauferei.

In dieser Zeit wird aus dem Junghund langsam ein erwachsenen Hund.

Die Reifezeit

Ab 2 Jahre

Jetzt beginnt die Reifezeit. Der Zeitpunkt ist Rasse abhängig. Die Charakter- und Rasseeigenschaften werden oft erst jetzt ausgebildet. Häufig tritt ein, unterschiedlich ausgeprägtes, Territorialverhalten auf.

Sowohl bei Hündinnen als auch bei Rüden stabilisiert sich der Hormonspiegel. Das Verhalten gegenüber Artgenossen kann sich ändern. Der Hund wirft sich nicht mehr sofort auf den Rücken wenn ein anderer Hund kommt. Das Spielen ändert sich vom reinen toben zu einem zum, wenn auch versteckten, Kräftemessen.

Das Erwachsenen alter

Ab 3 Jahre

Der Hund wird ruhiger. Seine körperlichen Entwicklung ist ausgereift und sein Charakter gefestigt. Selbst negative Erlebnisse oder Erfahrungen können ihn in der Regel nicht aus der Ruhe bringen. Solange sie nicht zu oft passieren. Herrchen und Hund sind jetzt ein eingespieltes Team, die Kommandos können immer weniger werden und manchmal glaubt man ‘der Hund könne Gedanken lesen’. Gelegentlich wird Ihr Hund austesten, ob die bestehenden Grenzen und Regeln immer noch gelten. Wenn man dann konsequent bleibt sind diese Eskapaden schnell vorbei.

Generell gilt übrigens: Je größer die Rasse ist, desto später wird das Tier erwachsen.

Das Senioren alter

Ab 8-10 Jahre

Der Hund wird noch ruhiger. Er rennt nicht mehr so oft, schleicht oft hinter einem her und schäft viel. Manchmal braucht man etwas Überredungskunst hinter einem Stöckchen her zu rennen, dagegen wird das ‘Stopp’-Kommando bein Hasen jagen zu gerne ausgeführt. Hier und da fangen jetzt einige Wehwehchen an und das Futter wird auch nicht mehr in diesen Mengen und in der Art und Weise gefressen. Die Zähne werden schlechter und der Bart wird grau. Manchmal werden auch Gehör, Augen und Nase schlechter.

Alles in allem – der Hund wird alt.

Die Kastration

Die Osnabrücker Verhaltensbiologin Carina Kolkmeyer forscht zu Charakter- und Verhaltensänderungen nach der Kastration speziell bei Hunden. Sie rät Besitzern zu kritischer Abwägung.

Warum soll ein Hund nicht vorschnell kastriert werden?

Ein kastrierter Hund ist nicht mehr derselbe. Er macht eine mehr oder weniger starke Wesensänderung durch. Das unterschätzen viele Besitzer. Wer seinen Traumhund gefunden hat, sollte die Finger von der Kastration lassen.

Oft fällt die Veränderung anders aus, als Besitzer sich das erhoffen. Die fehlenden Sexualhormone wirken sich stark auf Wesen und Verhalten aus. Hündinnen zum Beispiel spielen weniger und entwickeln oft ein teilnahmsloses, fast depressives Verhalten. Außerdem interessieren sie sich weniger für Artgenossen.

Rüden riechen anders und werden von Artgenossen oft als weiblich wahrgenommen, was Stress verursachen kann. Bei beiden Geschlechtern kann das Selbstbewusstsein leiden, was die Tiere oft ängstlicher und weniger gelassen macht. Manche werden aggressiver.

Bei einer zu frühen Kastration kommt noch dazu, dass die Hunde in dem Entwicklungsstadium in, in dem sie kastriert wurden, stehen bleiben. Man bekommt also nie einen erwachsenden Hund.

Viele sehen in der Operation auch eine Art Krankheitsprophylaxe.

Hündinnen soll der Eingriff vor bestimmten Tumorarten schützen. Die Zahlen sind allerdings sehr umstritten – und auch bei nicht kastrierten Hündinnen ist das Risiko gar nicht so groß, wie gern behauptet wird. Ich finde, die Nachteile für das Tier überwiegen. Sexualhormone gehören zum Körper und erfüllen dort wichtige Aufgaben.

Oft wird das Argument, ‘Ich will nicht Züchten, dann kann ich ihn/sie auch Kastrieren lassen. Dann quält er sich nicht mehr’, angeführt. Das mag für einige Tierarten gelten. Im Bezug auf Hunde aber ist es ein Irrglaube. Für Hunde ist das Soziale sehr viel wichtiger als das Sexuelle. Deshalb können auch die meisten unkastrierten und sexuell aktiven Tiere ein zufriedenes Leben führen.

Die Ausnahmen

Ständig extrem scheinschwangere Hündinnen zum Beispiel oder hypersexuelle Rüden. Sie fressen und schlafen nicht mehr, wenn eine läufige Hündin in der Nähe ist. Stattdessen jaulen sie ununterbrochen. Das bedeutet dann tatsächlich Stress für das Tier, der durch eine Kastration beendet werden kann. Auch bei eine medizinischen Indikation ist eine Kastration anzuraten.

Das Zusammenleben mit Tier soll verbessert werden

Die Grenze zwischen handfesten Gründen und menschlicher Bequemlichkeit ist dabei aber fließend. Wer sich zum Beispiel davon gestört fühlt, dass eine Hündin zweimal im Jahr für etwa zehn Tage läufig wird, sollte sich vielleicht lieber Meerschweinchen anschaffen. Ich meide in dieser Zeit einfach stark frequentierte Spazierwege, und meine Hündin trägt im Haus ein Höschen. Das ist wirklich kein Drama.

Kastration im Tierschutzgesetz

Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“ – So steht es in Paragraph 6 des deutschen Tierschutzgesetzes. Weiterhin heißt es: „Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres“. Dennoch ist die Kastration im Tierschutz Gang und Gebe. Rechtlich lässt sie sich mit Einschränkungen des Paragraphen 6 ermöglichen. So gilt das Verbot unter anderem nicht, wenn „der Eingriff im Einzelfall nach tierärztlicher Indikation geboten ist“ oder wenn „zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung oder – soweit tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen – zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres eine Unfruchtbarmachung vorgenommen wird“.

Ein Kastrationsgrund für einen Tierheimhund wäre also nur gegeben wenn ich mir einen Hund zulege den ich nur draußen ohne Aufsicht als Freigänger halten will. Für einen normal zu haltenden Hund kommt dieses nicht in frage. Demnach ist das Kastrieren mit Vorsicht zu handhaben.

Fazit: Kastrieren oder nicht?

Besitzer sollten die Vor- und Nachteile kritisch abwägen. Wer mit dem Eingriff liebäugelt, sollte bei Rüden zunächst mittels chemischer Kastration eine Art Testlauf starten. So lässt sich überprüfen, wie sich das Tier verändert.